Asozialenerhebung



Die Texte der Schüler, die zu bestimmten Sachthemen erarbeitet wurden, sind mit angefügt. Jeder Schüler hat selbst den Text erarbeitet und auch die Gestaltung der Schautafel vorgenommen. Mit einfachen Mitteln wurde das jeweilige Verbrechen in Form einer Collage dokumentiert.

Sachsen:

Gauleiter und Reichsstadthalter Martin Mutschmann beauftragte den Leiter des Rassenpolitischen Amtes der Gauleitung Sachsen Dr. Knorr am 13.11.1937 mit der Erstellung einer Kartei von Personen und Familien, die als Asozial bekannt, aufgefallen oder verdächtig waren.

Asozial waren:

  • wer laufend Konflikte mit der Polizei, Strafgesetzen und Behörden hat
  • wer arbeitsscheu ist
  • wer finanziell vom Staat abhängig ist oder unwirtschaftlich ist
  • wer hemmungslos ist oder nicht selbstverantwortlich seinen Haushalt führen kann
  • wer seine Kinder nicht "ordentlich" erziehen kann
  • wer Trinker, Spieler, Rauschgiftsüchtiger, Landstreicher, Vagabund, Bettler oder betrügerischer Hausierer ist
  • wer einen unsittlichen Lebenswandel führt oder eine gemeinschaftsfeindliche Tätigkeit ausübt

Erfassung beinhaltete:

Name, Vorname, Beruf, Geburtsort und -datum, Wohnort, Wohnung, Kinderzahl und die Art des "unsittlichen" Verhaltens Außerdem sollte die Zahl der Einwohner mit angegeben werden (wahrscheinlich um eine Statistik zu erstellen)

Ziel dieser heimlichen Statistik war:

Mit dieser Erhebung wurden alle "asozialen Elemente" bekannt. Sie wurden als "Balastexistenzen", "Volksschädlinge" oder "unnütze Esser" eingestuft, damit sie dann der Sterilisation oder der Euthanasie zugeführt werden konnten

Exemplarische Fälle

Werdau
Die ledige Marie Z. ist liederlich und wenig arbeitsfreudig. Sie hat in sittlicher Hinsicht keinen guten Leumund. Ihre beiden Kinder besuchen die Hilfsschule. Die Familie ist minderwertig. Da Fräulein Z. sehr oft aus nichtigen Gründen der Arbeit fernbleibt und sich auf die WU verlässt, wäre aus erzieherischen Gründen eine kurze Unterbringung in ein Arbeitshaus angebracht.

Langenreinsdorf
Paula J.: geboren am 10.11.1895 hier, wohnhaft hier Ortsteil Nr. 27C, ledig, Fabrikarbeiterin, unfähig ohne Mithilfe anderer einen geordneten Haushalt zu führen.

Cunsdorf
Frieda Martha F. wurde am 17.5.1895 in Cunsdorf geboren. Sie wurde eingeschätzt als Stumpf, zeitweise ungeordnet, erregt. Sie wurde von Untergöltzsch zur Zwischenstation Zschadraß verlegt und am 10.2.1941 in Pirna-Sonnenstein vergast.

Reichenbach
Karl F. wurde am 26.11.1891 in Reichenbach geboren. Seine Einschätzung war: "unter unkorrigierbaren Wahnideen stehend". Von Untergöltzsch wurde er nach Zschadraß als Zwischenstation verlegt und dann am 10.9.1940 in Pirna-Sonnenstein vergast.



Sterilisationverfahren Jutta P.

1925     12. Juni in Wilkau-Haßlau geboren
1941   Antrag auf Unfruchtbarmachung durch Dr. Karl Daniel, Großhennersdorf
Einsetzen eines Vormundes: Vater
Kreisheim Wiesen
1941 24. Sept. Beschluss der Unfruchtbarmachung: Feststellung zügellosen
Verhaltens und anderer negativer Charaktermerkmale
Aufforderung zur Durchführung der Unfruchtbarmachung in der Privatklinik Dr. Duseberg (Aue) oder im Heinrich-Braun-Krankenhaus Zwickau
1942 24. April Beschluss vom Oberlandesgericht Dresden – Sterilisation verfügt
Vater sei asozial und kriminell, zum Trunk neigender Verbrecher
28. April Beschwerde an Kanzlei des Führers
13. Mai Beschwerde vom Reichsgesundheitsführer zurückgewiesen
1943 24. Juni Verlobungsanzeige in der Zeitung "Neue Zwickauer Zeitung" mit dem Gefreiten Walter A.
Verfügung: Sterilisationsverfahren soll beschleunigt werden
23. Sept. Jutta war in Arnsdorf – das ist die letzte Eintragung in ihrer Akte
(SStA-Chemnitz; Reg. Nr. 30099 Nr. 7 und 9)