Stadtratsbeschluss



Die Religionsschüler haben am 31. März 2007 dem Zwickauer Stadtrat folgende Anregung vorgelegt:

Stadtratssitzung am 26. Juli 2007 Vorlage zu einem Stadtratsbeschluss in Zwickau für die Opfer des Verbrechens der Zwangssterilisation und Euthanasie während des Nationalsozialismus

Impuls

Am 13.12.2006 beschloss der Stadtrat Leipzig,
  • dass die Stadt offiziell an die Opfer der Zwangssterilisation und Euthanasie während des Nationalsozialismus gedenkt,
  • dass die Stadt die nationalsozialistischen Verbrechen verurteilt,
  • dass die Stadt die Erforschung der Euthanasie-Verbrechen fördert,
  • dass die Öffentlichkeit durch Veranstaltungen zu diesem Thema informiert wird.

Bisherige Zwickauer Aufarbeitung dieses Verbrechens Es konnte recherchiert werden, dass es in der Stadt Zwickau wie in der gesamten Region (Erbgesundheitsgericht Zwickau) bisher über 2.500 Opfer des Verbrechens der Zwangssterilisation und Euthanasie während des Nationalsozialismus gegeben hat. Sie sind namentlich erfasst und dokumentiert worden.



Folgendes soll zur Beschlussfassung in die Stadtratssitzung eingebracht werden

  • Der Stadtrat verurteilt die nationalsozialistischen Verbrechen, denen auch wehrlose, behinderte und psychisch kranke Menschen zum Opfer gefallen sind.
  • Der Stadtrat fördert und unterstützt die Aufarbeitung dieses Verbrechens.
  • Der Stadtrat ehrt und würdigt die Opfer und deren Hinterbliebene.
  • An diese Opfer soll am 27. Januar vor der Gedenktafel in der Talstraße 5 ("Haus Muldenblick") offiziell erinnert werden.
  • Der Stadtrat trägt Sorge dafür,
    • dass die Recherchen weitergehen,
    • dass die Öffentlichkeit informiert wird,
    • dass entsprechende öffentliche Veranstaltungen angeboten werden,
    • dass sich besonders die Jugend mit diesem Thema auseinandersetzt,
    • dass die Schülerausstellung des Clara-Wieck-Gymnasium (CWG) in die Schulen kommt,
    • dass Arbeitsmaterialien entstehen, die den Schulen für ihre SchülerInnen und LehrerInnen angeboten werden können,
    • dass ein Prozess des Erinnerns entsteht.
  • Der Stadtrat setzt sich bewusst mit den neo-nationalsozialistischen Bestrebungen der Stadt auseinander.

Religionsschüler des Projektes am CWG und Mitarbeiter dieses Projektes im Zwickauer Hilfe Zentrum e.V. (ZHZ)



Zur Stadtratssitzung am 26. Juli 2007 wurde dem Stadtrat eine Beschlussvorlage zur Aufarbeitung der Verbrechen und Würdigung der Opfer des Nationalsozialismus in der Stadt Zwickau vorgelegt.


Der Stadtrat möge beschließen:

  • Die Stadt Zwickau unterstützt die Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus in der Region und fördert Projekte, die sich dieser Thematik widmen.
  • Die Stadt Zwickau gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus, insbesondere auch jenen, die durch die weitere Aufarbeitung bekannt werden.



Begründung (in Auszügen):

Die Verbrechen während der Zeit des Nationalsozialismus sind in ihrem Ausmaß und ihrer Komplexität auch nach über 60 Jahren nach der Zerschlagung dieses Regimes unvorstellbar und sind in vielen Bereichen von einer weitestgehenden Aufarbeitung entfernt. Umso wichtiger erscheint es heute, dass die Verbrechen und Machenschaften der nationalsozialistischen Herrschaft nicht verblassen und in Vergessenheit geraten sowie das Aufkeimen neonationalsozialistischer Gedanken und Strömungen verhindert wird. Die vorherrschende und zielstrebig umgesetzte Ideologie vom Herrenmenschen mit dem einhergehenden Rassenwahn der Nationalsozialisten ermöglichte Verbrechen auch am eigenen Volk. Ausgangspunkte der unzähligen und unmenschlichen Taten waren somit auch im deutlichen Alltag zu finden, die nicht nur Gewalt und Vernichtung in den Konzentrationslagern zur Folge hatten. Die Auseinandersetzung mit diesen Verbrechen und deren Aufarbeitung in ihrer ganzen Bandbreite sind ein wichtiger Bestandteil der gesellschaftlichen Entwicklung. Dabei stellt die regionale Erinnerungsarbeit eine nachhaltige Möglichkeit dar, Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren und Fakten zu ergründen. In besonderer Weise sollen Schülerprojekte Zwickauer Schulen unterstützt werden. zu

Beschlusspunkt 1:

Durch die Projekte: "Sterilisation und Euthanasie während der Zeit des Nationalsozialismus" und "Die weitere Aufklärung und Dokumentation der Naziverbrechen" wurde eine Ausstellung präsentiert, die über bedrückende Einzelschicksale in der Region berichtet. In weiterer Recherchearbeit entstanden 86 Akten zu Euthanasieopfern aus Zwickau und der näheren Umgebung, die dem Stadtarchiv übergeben wurden. Vor diesem Hintergrund schlägt die Verwaltung vor, dass
- die Stadt Zwickau Projekte zur Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus in der Region als Förderprojekte unterstützt
- den Zugang zu Quellen für Recherchen gebührenfrei ermöglicht
- eine fachliche Beratung zur Unterstützung gewährleistet
- die Möglichkeit angeboten wird, die Ergebnisse aus den Projekten im Stadtarchiv aufzubewahren und diese im Rahmen der geltenden Gesetze der Öffentlichkeit zugänglich zu machen

Beschlusspunkt 2:

Im Zusammenhang mit den Verbrechen des Nationalsozialismus wird in Zwickau bei nachfolgenden Gedenkveranstaltungen an die Vielzahl der Opfer erinnert.
Shoa-Gedenken am Davidstern in der Katharinenstraße
Dieses Gedenken erinnert an den systematischen Völkermord an etwa 6 Millionen Juden und jüdischstämmiger Bevölkerung Europas unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. In Verbindung mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit e.V. Zwickau findet dieses Gedenken jährlich im April bzw. Mai nach dem jüdischen Kalender richtend statt.
Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus an der Gedenktafel auf dem Georgenplatz
Am Tag der Opfer des Nationalsozialismus wird weltweit an die Befreiung des KZ Ausschwitz durch die Rote Armee gedacht.
Gedenken der Novemberpogrome 1938 auf dem Jüdischen Friedhof und Gedenkstein am Georgenplatz
Das Gedenken an die Novemberpogrome, auch Reichspogromnacht oder Reichskristallnacht genannt, erinnert an die vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gezielt gelenkte Zerstörung von Leben, Eigentum und Einrichtungen der Juden im gesamten Deutschen Reich. Die Zerstörung fast aller Synagogen und jüdischen Friedhöfe in Deutschland wurde veranlasst. Im weiteren Verlauf leiteten die Pogrome die systematische Verfolgung der deutschen Juden und den weiteren Völkermord der Nationalsozialisten in deren Machtbereich ein.
Gedenken der Opfer des Faschismus am VVN-Denkmal am Nordufer des Schwanenteiches
Bürger und Vertreter des öffentlichen Lebens ehren an dieser Mahn- und Gedenkstätte die Opfer des Nationalsozialismus, insbesondere den maßgeblich 325 Insassen der KZ-Außenstelle Flossenbürg, die hier ihre letzte Ruhestätte haben. Diese Gedenkveranstaltung findet jährlich am zweiten Sonntag im September statt. In Verbindung mit der Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus und den vorliegenden Ergebnissen aus den bereits genannten Projekten und den für die Zukunft zu erwartenden neuen Erkenntnissen zu den Zwickauer Opfern schlägt die Verwaltung vor, dass
- im Rahmen von Gedenkveranstaltungen an geeigneten Orten wird insbesondere jenen Opfern gedacht, die durch diese Recherchen bekannt werden;
- der Anonymität und dem Vergessen der Gewaltverbrechen damit entgegengewirkt und der Aufklärungsprozess in der Öffentlichkeit fortgesetzt wird, beispielsweise durch das
Gedenken der Opfer der Zwangssterilisation und Euthanasie
Herr Pfarrer Käbisch hat im Ergebnis der Recherchen im Rahmen des Schülerprojektes "Sterilisation und Euthanasie während der Zeit des Nationalsozialismus" das jährliche Gedenken angeregt.
Die breite Gewalt der Nationalsozialisten an Juden, Sinti und Roma, Behinderten, politisch Verfolgten, Zeugen Jehovas, Homosexuellen, Kriegsgefangenen .... ist auch weiterhin aufs Schärfste zu verurteilen.

Der Stadtrat hat diese Beschlussfassung einstimmig angenommen!