Vorwort



"Ein wichtiges Buch zur rechten Zeit!"
Was veranlasst mich zu dieser Aussage?


Am l. September 2012 wurde in der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein das Projekt "Gedenkbuch für die Opfer der NS-'Euthanasie' in und aus Sachsen" vorgestellt. Dazu heißt es in einer Pressemitteilung:

"In den nächsten vier Jahren erarbeitet die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein ein Gedenkbuch für alle Menschen, die den NS-Krankenmorden zum Opfer fielen. Das Buch soll diejenigen ,Euthanasie'-Opfer verzeichnen, die aus Sachsen stammen oder in Sachsen getötet wurden. Über siebzig Jahre nach dem Beginn der Mordaktionen soll das Projekt endlich an alle betroffenen Frauen, Männer und Kinder in würdiger Form erinnern.
Die Wissenschaftler des Projektes stehen bei der Suche nach jeder einzelnen Biographie vor großen Herausforderungen, da die meisten historischen Quellen nicht mehr oder nur lückenhaft vorhanden sind. Der Leiter der Gedenkstätte, Dr. Boris Böhm, hofft deshalb auf eine breite Unterstützung des Projektes in der Ouml;ffentlichkeit: "Wir bitten um die Mitwirkung von Angehörigen, Zeitzeugen und historisch interessierten Personen in ganz Sachsen. Hilfreich für uns sind alle Informationen über Patienten, die in den Jahren von 1939 bis 1945 in psychiatrischen Anstalten oder Krankenhäusern oder Krankenhäusern lebten." Die Gesamtzahl der sächsischen ,Euthanasie"-Opfer liegt deutlich über den mindestens 14.751 Ermordeten der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein 1940/41. Im Rahmen der "Kinder-Euthanasie" und der "Medikamenten-Euthanasie" von 1939 bis 1945 starben Menschen an vielen Orten in ganz Sachsen. Besonders stark betroffen waren die Landesanstalten Großschweidnitz und Waldheim sowie die so genannten Kinderfachabteilungen in Leipzig und Großschweidnitz. Das Gedenkbuch soll dabei helfen, diese Schicksale von mutmaßlich über 10.000 Menschen aufzuklären. "

Um diese anspruchsvolle Aufgabe zu lösen, bedarf es vieler Menschen. Der Autor des vorliegenden Buches hat sich in seiner Region, der Stadt Zwickau, über viele Jahre zusammen mit einer Gruppe von Schülern eines Gymnasiums dieser Herausforderung gestellt: Opfer aufgespürt, ihnen ein Gesicht gegeben, den Angehörigen bei der Bewältigung beigestanden, die Täter und ihre Helfer identifiziert, die zeitgeschichtlichen Hintergründe dargestellt und einen Ort geschaffen, an denen das Gedenken einen würdigen Platz finden kann.

Ich habe die berechtigte Hoffnung, dass das "Zwickauer Beispiel" allen, die sich in den kommenden Jahren einer ähnlichen Aufgabe stellen wollen, sehr viele Anregungen und Hilfen geben kann. Darüber hinaus ist es hilfreich, dass auch die Schwierigkeiten, Probleme und Widerstände, mit denen sich eine solche Initiative auseinandersetzen muss, dargestellt werden. Besonders anregend sind jedoch die positiven Erfahrungen, die durch die intensive Einbeziehung von Schülern gemacht wurden. Dies könnte vor allem Geschichts-, Religions- und Ethiklehrer ermutigen, ein solches regionalgeschichtliches Thema in die Unterrichts- und Projektgestaltung einzubeziehen und gleichzeitig vielleicht einen Beitrag für das sächsische Gedenkbuch zu leisten.

Dr. Jürgen Trogisch
Facharzt für Kinderheilkunde, von 1970 bis 1991 leitender Arzt des Katharinenhofs Großhennersdorf, danach bis zum Ruhestand 2004 Referatsleiter für Rehabilitation Behinderter im Sächsischen Sozialministerium