Hier ist die Schautafel zu dem Thema "Zwangssterilisation" fotografiert, damit der Betrachter einen Eindruck von der Dokumentation erhalten kann.



Freie Presse
Die Texte der Schüler, die zu bestimmten Sachthemen erarbeitet wurden, sind mit angefügt. Jeder Schüler hat selbst den Text erarbeitet und auch die Gestaltung der Schautafel vorgenommen. Mit einfachen Mitteln wurde dieses Verbrechen in Form einer Collage dokumentiert.

Das Gesetz

Eingeleitet wurde diese Entwicklung mit dem "Gesetz über die Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933" (RGBl. 1933 I, 529), das eine auch zwangsweise Sterilisation von Trägern vermeintlich erblicher Krankheiten vorsah. Insgesamt bis zu 400.000 Männer und Frauen wurden zwangssterilisiert, wobei über 6.000 Menschen zu Tode kamen.

Der Rechtsweg

Ärzte, Hebammen, Heilpraktiker, Behörden, Anstaltsleiter, Lehrer, Eltern usw. hatten die Pflicht, Verdächtige auf Erbkrankheit dem zuständigen Amtsarzt zu melden. Der Amtsarzt stellte die Antragstellung auf Unfruchtbarmachung entgegen. Das Zeugnis eines Arztes war erforderlich. Eine Überprüfung in der Abteilung "Rassenpflege" des Gesundheitsamtes fand statt. Es konnte die Erarbeitung einer Sippenakte und das Erstellen von Gutachten vorgenommen werden. Der Amtsarzt stellt den Antrag auf Zwangssterilisation beim zuständigen Erbgesundheitsgericht und der Betroffene wurde benachrichtigt. Er konnte Einspruch erheben, einen Rechtsanwalt einschalten und Gegengutachten erstellen lassen. Hat das Erbgesundheitsgericht die Unfruchtbarmachung beschlossen, konnte die nächste Instanz – Erbgesundheitsobergericht – angerufen werden. Dieser Beschluss war endgültig und rechtskräftig und die Sterilisation musste vollzogen werden.

Das Gericht

Das Erbgesundheitsgericht bestand aus drei Personen: Amtsrichter, ein beamteter Arzt, ein in Erbgesundheitslehre geschulter Arzt. Sie unterlagen der Verschwiegenheitspflicht.
  • Zur Verhandlung konnte der Rechtsanwalt, der Betreuer, der rechtliche Vormund, die Angehörigen hinzugezogen werden
  • Die Verhandlung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt
  • Dauer ca. 5 Minuten
  • Beschluss durch Stimmenmehrheit 2:1 (die Ärzte konnten den Richter überstimmen = medizinische Verurteilung mit juristischer Etikette)
  • 9,9 % Gerichtliche Ablehnungen
  • Erst 1998 wurde das Gesetz durch den Bundestag als Unrecht anerkannt


Fall Herbert A.

  • Angeblich Epileptiker
  • Angehöriger der SS
  • Rechtsanwalt R. Schlicke: Herr A. keine erbliche Fallsucht
  • Gesundheitsamt suchte mehr Informationen
  • Hinterleuchtung der gesamten Familienverhältnisse
  • mehrere Anträge auf Ablehnung
  • Erbgesundheitsgericht: Unfruchtbarmachung wurde abgelehnt
  • während des Waffendienstes der SS kam es zum Anfall
  • erneuter Antrag auf Unfruchtbarmachung
  • Tod in der Landes-Heil und Pflegeanstalt Untergöltzsch


Der Betroffene war dem Gesetz ausgeliefert

  • Zusammenspiel von Juristen und Mediziner
  • Gesetz war Wille der Volksgemeinschaft
  • Hinter dem Gesetz stand Partei, Ideologie und der Führer selbst
  • Es bestand großer juristischer Spielraum
  • Gesetz ließ viel Raum zur Interpretation
  • Vorgang über Ämter zeigte öffentliche Anerkennung
  • Anerkannte Ärzte stellten Diagnose
  • Angst vor Folgen bei Widerhandlung


Christlicher/ kirchlicher Widerstand möglich?

Den Betroffenen blieb eine weiterführende Hilfe versagt. Speziell gegen den Eingriff in die Privatsphäre und in die Würde des Menschen hat die Kirche nichts unternommen. Das gesamte Rechtssystem ließ keinerlei Kompromisse zu. Da die Zwangssterilisation eine rechtliche Grundlage hatte, war es nicht möglich, gegen diese medizinische Praxis zu klagen. Es konnten nur die Auswirkungen begrenzt werden, indem falsche oder unzulängliche Angaben gemacht wurden. Es ist natürlich ebenfalls in Betracht zu ziehen, dass die Kirche damals einen eher geduldeten, als anerkannten Stand hatte. Daraus folgend war der Aktionsradius begrenzt. Eine aktive Hilfe konnte nur im Konsens mit den Machthabern realisiert werden. Da deren Standpunkt jedoch Gesetz war, war es der Kirche nicht/ begrenzt möglich diesen anzufechten. Unterstützung fand die Zwangssterilisation jedoch auch durch kirchliche Instanzen und Persönlichkeiten. Exemplarisch hierfür steht Pfarrer Hünlich aus Stangengrün, der auf das Mathäusevangelium Kapitel 5 Vers 29 verwies. Der weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannte Pastor F. v. Bodelschwingh begrüßte die Praxis der Zwangssterilisation und sah darin eine unausweichliche Pflicht. Im Gegensatz zur evangelischen Kirche verhielt sich die katholische Kirche zurückhaltend, obwohl in katholischen Krankenhäusern operative Unfruchtbarmachungen durchgeführt wurden. Es kam sogar zu einer Befürwortung durch die karitativen Vereine des "Reichsverbandes evangelischer Taubstummenseelsorger". Gemäß der differenzierten Auffassung des Obrigkeitsbegriffes im 3. Reich gab es in der Kirche viele Befürworter der NS-Gesetze. Es wurde das Evangelium als tröstende und helfende Quelle angegeben und darauf verwiesen, eine aktive Hilfe blieb jedoch aus.